Generalisierte Angststörung (Symptome & Ursachen) - Wie Angstzustände überwinden?

Wenn Angst das Leben bestimmt, könnte eine generalisierte Angststörung der Grund dafür sein. Was Ursachen und Symptome für diese Krankheit sind und wie Sie Angstzustände überwinden, haben wir uns von einer Psychologie Studentin erklären lassen.
Starke Unsicherheit und Beklemmung. Innere Unruhe, die sich bis ins Unerträgliche steigert. Doch wovor? Ängste und Sorgen kennt jeder. Sie gehören zum menschlichen Dasein dazu. Wenn jedoch ständige Angst, Sorgen und Ruhelosigkeit das Leben bestimmen, kann eine „generalisierte Angststörung“ vorliegen.
Laut der Stiftung Gesundheitswissen leiden 9 von 100 Männern und 21 von 100 Frauen im Alter von 18 bis 79 Jahren an unterschiedlichen Angststörungen. In unserem Beitrag erfahren Sie mehr über die verschiedenen Formen von Angststörungen, welche Ursachen sie haben und wie Sie Ihre Angstzustände überwinden können. Wir haben die Master-Studentin Anna S. der SRH Hochschule Heidelberg zum Thema interviewt.
Was ist eine Angststörung?
Ein wichtiger Begleiter in unserem Leben ist die Angst. Sie warnt uns vor gefährlichen Situationen, damit wir diese richtig einschätzen und entsprechend reagieren können. Allerdings kann es auch passieren, dass die Angst übermächtig wird und plötzlich auch in ungefährlichen Situationen auftritt. Dann ist sie nicht mehr hilfreich und wird zu einer Krankheit, der Angststörung.
Das natürliche Gefühl der Angst tritt also nicht mehr in Folge einer bedrohlichen Situation auf, sondern in einer eigentlich harmlosen, ungefährlichen Lebenslage. Die Angst steht in keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung – wird aber psychisch und körperlich sehr intensiv erlebt. Einige Betroffene erkennen zwar die Unverhältnismäßigkeit ihrer Angst, können sie aber nicht kontrollieren oder gar ausschalten. Diese Gefühle treten immer wieder auf.
Dieses Video der Stiftung Gesundheitswissen erklärt anschaulich, was eine Angststörung ist und wie sie den Alltag der Betroffenen einschränkt.

Welche Angststörungen gibt es?
Angststörungen oder Angsterkrankungen, beide Begriffe werden von Medizinern synonym verwendet, treten in verschiedenen Formen auf – je nachdem, wodurch sie ausgelöst werden. Zu differenzieren sind unspezifische Ängste, die spontan und zufällig auftreten und keine konkreten Auslöser haben, und Phobien, bei denen spezifische Objekte, Situationen oder Räumlichkeiten im Vordergrund stehen, berichtet die Masterstudentin.
Wie äußert sich eine Angststörung?
Angststörungen äußern sich sowohl körperlich als auch psychisch – je nach Form. Schwitzen, Herzrasen, Atemnot oder Zittern, lähmen die Betroffenen, die häufig in einen Teufelskreis der Angst geraten. Aus Angst vor der Angst ziehen sie sich zurück und schränken ihren Alltag extrem ein.
Eine generalisierte Angststörung zeichnet sich beispielsweise durch übermäßige und unkontrollierbare Sorge (furchtsame Erwartung) bzw. Angst aus, welche sich auf mehrere unspezifische, zukünftige Ereignisse oder Tätigkeiten bezieht, fasst die Psychologiestudentin Anna für uns zusammen.
Dabei können folgende Symptome auftreten:
Wenn man Angst hat, setzt die Nebenniere das Hormon Adrenalin frei. Es beschleunigt viele Körperfunktionen: Das Herz schlägt schneller, der Atem wird flach und kurz. Der Körper wird in einen Alarmzustand versetzt, um kurzfristig wachsamer zu sein und schneller reagieren zu können. Bei Menschen mit einer generalisierten Angststörung hält dieser normalerweise nur kurze körperliche Ausnahmezustand mit Herzrasen oder -klopfen und Kurzatmigkeit oft länger an.
Zum diagnostischen Kriterium weiß Anna, dass mindestens drei dieser Symptome (bei Kindern genügt ein Symptom) in einem Zeitraum von sechs Monaten vorhanden sind. Wichtig ist außerdem zu wissen, dass sich die Betroffenen hinsichtlich der Themen und Inhalte ihrer Sorgen nicht von gesunden Menschen unterscheiden, denn der eigentliche Unterschied besteht in der Dauer, Intensität und Kontrollierbarkeit, sowie der Beeinträchtigung durch die Sorgen. Sie haben Angst, dass der Partner seinen Job verliert, dass die Kinder auf dem Weg zur Schule von einem Auto überfahren werden, dass das Haus abbrennt, dass die Eltern sterben, dass sie selbst Krebs haben, usw. Die Angst wird nicht mehr als Sorge erlebt, sondern als dauerhafter Gemütszustand. Die generalisierte Angststörung kann in jedem Lebensalter auftreten und beginnt i. d. R. langsam und schleichend, was oftmals genaue Angaben zum Beginn der Störung erschwert. Eine vollständig ausgeprägte Angststörung entwickelt sich häufig erst, wenn es zu wichtigen Lebensveränderungen bei den Betroffenen kommt (z. B. Schulabschluss, neuer Beruf, Elternschaft etc.) oder ungünstige Ereignisse eintreten, wie beispielsweise eine Scheidung.
Wie kann man Angstzustände überwinden?
Im Grunde sollte genau das Gegenteil getan werden, denn die Vermeidung von angstauslösenden Situationen führt nicht zu einer psychologischen Verarbeitung dieser, sondern kann sogar zu einer Ausweitung der Ängste führen (z. B von Kaufhäusern auf Geschäfte). Angst kann man nicht abstellen, aber man kann sich ihr stellen.
Im folgenden Video rät Dr. med. Jens Plag, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, dazu, die Vermeidung zu vermeiden und gibt Tipps für den Alltag.

Wenn Sie auch diese lähmende Angst kennen und sich bereits in Ihrem Alltag eingeschränkt fühlen, weil die Ängste zunehmen, sollten Sie mit Ihrem Hausarzt reden oder direkt psychologischen Rat einholen. Nur entsprechend ausgebildete Personen können letztlich diagnostizieren, ob eine Angststörung vorliegt und anschließend individuelle Therapien anbieten. Denn die Symptome einer generalisierten Angststörung können denen anderer psychischer Erkrankungen wie Phobien, Panikstörungen oder Zwangsstörungen ähneln. Zudem haben viele Betroffene auch Beschwerden, die eher zu einer Depression passen.
Behandlungsmethoden:
Psychologische und psychotherapeutische Behandlungen
Zur Behandlung von Angststörungen hat sich die Verhaltenstherapie als besonders wirksam herausgestellt. In der kognitiven Verhaltenstherapie lern man seine Gedanken und Ängste zu erkennen und zu verändern. Auch eine sogenannte Exposition, oder Konfrontationstherapie, ist bei körperlich gesunden Angstpatienten unter therapeutischer Begleitung eine Methode, um mit der Angst umzugehen und sie zu besiegen. Durch die bewusste Konfrontation mit der angstauslösenden Situation (Höhe, Fahrstuhl, Spinne, Menschenansammlung, etc.) stellt sich mit der Zeit eine Gewöhnung ein.
Medikamente
Bei einer Angststörung werden zur Unterstützung der Therapie bei schweren Krankheitsbildern bestimmte Antidepressiva verabreicht. Es ist mitunter entscheidend, dass der Erkrankte die Wirkweisen der Medikamente versteht und die Therapie entsprechend aktiv mittragen kann. Denn bis Antidepressiva spürbar wirken, kann es zwei bis drei Wochen dauern.
Angstlösende Medikamente wie Benzodiazepine setzen Psychiater wegen der Abhängigkeitsgefahr in Ausnahmefällen nur kurzfristig bei ausgeprägten Panikstörungen ein.
Auch pflanzliche Beruhigungsmittel aus Baldrian, Kamille oder Lavendel können geeignet sein, um mit der Angst oder Stress besser zurechtzukommen.
Entspannungsverfahren
Um weniger anfällig für Ängste zu sein, ist es ratsam, Anspannung und Stress im Alltag zu vermeiden. Hierbei können Entspannungsmethoden (z. B. progressive Muskelrelaxation), Sport, Yoga, Meditation oder Achtsamkeitsübungen hilfreich sein. Ebenso sollte ein gesunder Lebensstil mit einem guten Schlafrhythmus, wenig Koffein/Alkohol (und anderen Drogen) und ausgewogener Ernährung angestrebt werden, um sich stabiler und ausgeglichener zu fühlen. Diese Entspannungsverfahren werden häufig auch zur Unterstützung einer psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt.
Selbsthilfe
In Selbsthilfegruppen besteht die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen. Manchen Menschen hilft es auch, sich gut über die Erkrankung zu informieren – ob mit Büchern, Broschüren oder im Internet.
Bei manchen Menschen, die an einer Angststörung leiden, hilft die ambulante Verhaltenstherapie, andere brauchen erst einen Aufenthalt in einer psychosomatischen oder psychiatrischen Klinik, um ihr ausgeprägtes Vermeidungsverhalten aufzulösen und den geeigneten Therapieweg einzuschlagen.
Auch das Internet bietet Möglichkeiten, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und zu erkennen, dass eine Angststörung eine Krankheit ist, die viele Menschen beeinträchtigt. Der Blog Mein Weg aus der Angst beispielsweise, bietet nicht nur Einblicke in das Leben eines Betroffenen, sondern dient auch dem Erfahrungsaustausch.
Was können Angehörige tun?
Angehörige sollten sich bewusst machen, dass es sich um eine Erkrankung handelt, die genauso wie Rückenschmerzen oder Kopfschmerzen ernst genommen und behandelt werden muss. Floskeln wie „Stell dich nicht so an!“ oder „Übertreib doch nicht!“, „Ich hab doch auch keine Angst.“ sind äußerst kontraproduktiv und führen eher zur sozialen Isolation der Betroffenen.
Förderlich ist es, die Personen zu motivieren, sich professionelle Hilfe (Selbsthilfegruppen, ambulante Psychotherapie, Angstambulanz) zu suchen und die positiven Behandlungsaussichten zu untermauern. Im Alltag sollten den Betroffenen nicht zu viele Aufgaben abgenommen werden. Es ist besser an die erlernten Bewältigungstechniken (Atem- und Entspannungsübungen) zu erinnern oder diese gegebenenfalls mitzumachen oder die Betroffenen zu den Arztterminen und Therapiesitzungen zu begleiten. Zusätzlich ist es empfehlenswert, dass sich Angehörige über das Krankheitsbild informieren, aber stets in ihrer Rolle als Angehöriger bleiben und nicht zum Therapeuten mutieren. Nur wenn Angehörige ihre Grenzen kennen und akzeptieren, können Sie den Betroffenen tatkräftig mit Ermutigung und Begleitung zur Seite stehen.
Für Angehörige kann es hilfreich sein, sich folgende Erfahrungsberichte anzusehen, um besser zu verstehen, wie es sich anfühlt, wenn die Angst das Leben bestimmt.
Die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung haben 2019 für Betroffene folgende Tipps veröffentlicht:
Was Sie selbst tun können
- Die wichtigste Regel ist: Stellen Sie sich den angstauslösenden Situationen und vermeiden Sie diese nicht. Das heißt zum Beispiel: Fahren Sie mit dem Fahrstuhl, auch wenn Sie Angst davor haben.
- Es hilft, wenn Sie sich klarmachen, dass Angstanzeichen wie Herzrasen oder Schwindel nicht zu schädlichen Folgen wie Ohnmacht oder Herzinfarkt führen.
- Bei sozialen Ängsten können Sie üben, Fremde anzusprechen, Reden zu halten, dem Gegenüber in die Augen zu schauen oder sich im Streit durchzusetzen.
- Es ist schwer, sich der angstauslösenden Situation zu stellen, die man jahrelang gemieden hat. Gehen Sie schrittweise vor. Je öfter Sie es schaffen, desto eher können Sie Ängste abbauen. Freuen Sie sich auch über kleine Erfolge.
- Wenden Sie sich bei Bedarf an Ihre Hausarztpraxis oder gleich an eine Praxis für Psychotherapie. Bei dieser können Sie einen Termin für eine sogenannte "Sprechstunde" vereinbaren. Eine Überweisung brauchen Sie hierfür nicht. Trauen Sie sich, diesen Schritt zu tun. Niemand sucht sich seine Krankheit aus. Eine seelische Erkrankung ist ebenso wie eine körperliche keine Frage von Schuld: Niemand würde sich schämen, wegen Rückenschmerzen zum Arzt zu gehen.
- Stellen Sie sich darauf ein, dass die Behandlung einer Angststörung Zeit braucht.
- Mit Unterstützung lassen sich Krisen leichter überwinden. Nehmen Sie Gesprächs- und Unterstützungsangebote Ihrer Freunde oder Angehörigen an. In Selbsthilfegruppen können Sie Erfahrungen mit anderen Betroffenen austauschen.
Kommentare
Kommentar schreiben